Es gibt unterschiedlichste Systeme für die Versorgung der Pflege mit Berufskleidung und neue Möglichkeiten, die sich gerade etablieren. Dieser Artikel soll alle Varianten beschreiben und die Pro und Cons darlegen. Weiters werden die Auswirkungen von COVID-19, Trends in der Berufskleidung und die Wirtschaftlichkeit erörtert.
Der Author hat die Entwicklung im Bereich der Textilen Versorgung von Pflegeheimen in den letzten 35 Jahren verfolgt, mitgestaltet und die texile Versorung von über 250 Seniorenheimen verantwortet.
Dieser Artikel ist somit eine umfangreiche Zusammenfassung - aus möglichst neutraler Sicht. Für die, die schnell querlesen wollen, empfiehlt sich das Inhaltsverzeichnis und die Zusammenfassung am Ende zu lesen.
Logistiksysteme im Pflegeheim
Trends in der Berufskleidung für Pflegeheime
In den letzten 5-10 Jahren haben sich einige neue Trends ergeben
Differenzierung zwischen Pflegeheim und Krankenhaus
Ein Pflegeheim ist kein Krankenhaus! Dies ist eine banale Feststellung, hat aber auch Auswirkungen auf die Dienstbekleidung. Das Ziel des Pflegeheims ist es einen würdevollen Lebensabend zu ermöglichen, das Ziel des Krankenhauses ist die möglichst schnelle Diagnose und Therapie einer Krankheit.
Die Berufskleidung im Pflegeheim ist eine Möglichkeit um die Atmosphäre und den Charakter des Heim darzustellen.
Steigende Anforderungen an die Hygiene im Pflegeheim
Spätestens seit COVID-19 haben sich die Hygienebestimmungen im Pflegeheim massiv verschärft. Es ist zu erwarten, dass die Corona Pandemie das Pflegeheim noch über Jahre beschäftigen wird, da noch nicht absehbar ist, ob und wann ein effektver Impfstoff verfügbar sein wird und ob alle Bewohner, Mitarbeiter und Besucher sich auch impfen lassen werden.
Zudem ist nach der Pandemie, vor der nächsten Pandemie. Es ist daher wichtig von der aktuellen Situation zu lernen.
Unabhängig davon ist die Hygiene durch eine vermehrte Antibiotikaresistenz und vermehrte gesetzliche und normative Anforderungen gefordert.
Konkrete Richtlinien:
- Waschen mit einem desinfizierende Verfahren mit einem Wirkungsbereich "B" (viruzid) link
- Bereitstellen von Schutzschürzen, Schutzausrüstung in einer Pandemie oder bei infektiösen BewohnerInnen.
Empfehlungen des Authors:
- Ausreichende Mehrweg Schutzausrüstung, da diese im Fall einer Pandemie die Versorgung besser sicherstellt. Es ist zu erwarten, dass auch bei einer neuen Infektionswelle von COVID-19 oder der nächsten Pandemie es zu Lieferengpässen und überhöhten Preisen aufgrund der globalen Lieferketten kommen wird.
Mehrweg Schutzmäntel und Mehrweg Mund- und Nasenschutz sind sehr gute Alternativen. - Täglicher Tausch der Arbeitsbekleidung, wie dies auch im Krankenhaus üblich ist. Dies verhindert, dass Mitarbeiterinnen mit der Arbeitsbekleidung nach Hause fahren, mit der Arbeitsbekleidung im Spind die Privatbekleidung kontaminieren oder aus der Not die Bekleidung zuhause waschen müssen.
Quellen:
- Infektionsprävention in Heimen (RKI)
- Prävention und Management von COVID-19 in Altenund Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen (RKI)
- Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren Stand: 31. Oktober 2017 (17. Ausgabe)
- Seite des RKI für die Altenpflege: link
- Seite des RKI für die Liste von aktuellen Desinfektionsmittel und -verfahren: link
Arbeitsbekleidung im Pflegeheim als Mitarbeitermotivation
Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte ist bereits jetzt angespannt und diese Situation wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen.
Die Dienstbekleidung im Pflegeheim kann motivieren bzw. Demotivation vorbeugen:
- Eine gute Passform, ein guter Tagekomfort und praktische Details sind wichtig, da die Arbeitsbekleidung eines der wichtigsten Arbeitsmittel ist.
- Tägliche Verfügbarkeit und die Möglichkeit bei eventuellen Verschmutzungen zu tauschen.
- Sofortiges Einkleiden von neuen MitarbeiterInnen mit den richtigen Artikeln in der richtigen Größe sind wichtig für den "Ersten Arbeitstag".
- Ein Logo und eine hochwertige Kollektion zeigen dem Team Wertschätzung und bietet die Möglichkeit sich als Arbeitgeber zu unterscheiden.
- Eine gute, fachmännische Aufbereitung gewährleistet die Qualität, nimmt den Mitarbeitern Arbeit ab und reduziert Ärger im Team.
Erfahrungsgemäß ist die Dienstbekleidung der wichtigste Schlüsselfaktor für eine allgemeine Zufriedenheit mit der Wäscheversorgung. Dies wird in Zukunft immer wichtiger.
Neue Technologien / Systeme
In den letzten Jahren haben sich einige Technologien etabliert und einige Entwicklungen zeichnen sich ab. Industrie 4.o oder Textilservice 4.0 wird auch im Pflegeheim stattfinden.
RFID UHF Transponder
Mit RFID UHF Technologie können hunderte Bekleidungsteile ohne Aufwand gleichzeitig eingelesen werden. Dies ermöglicht eine neue Transparenz, schnelle Inventuren und neue Applikationen wie Wäscheautomaten.
Ausgabeautomaten
Ausgabeautomaten sind seit über 20 Jahren im Krankenhaus im Einsatz und werden bereits bei 2/3 der Neuaustattungen eingesetzt.
In den letzten Jahren beginnen sich auch die Bekleidungautomaten im Seniorenheim zu etablieren.
Die Funktion ist wie folgt:
- Der Mitarbeiter meldet sich beim Automaten mit seiner ID Karte oder seiner Personalnummer an,
- das richtige Fach im Kasten öffnet sich,
- der Automat weiss aufgrund der RFID UHF Technologie welches Teil entnommen wurde und bucht dies dem Mitarbeiter zu.
- Die gebrauchten Teile werden in die Entsorgungsbox entsorgt und der Mitarbeiter kann somit auch wieder neue Teile entnehmen.
Vernetzung mit der Wäscherei
Mit "Internet of Things" (IoT) können Wäscheautomanten, mobile Erfassungsgeräte, Antennen in der Wäscherei in ein Gesamtsystem integriert werden.
Durch Zugriff auf die Programme in der Cloud (Server im Internet) können die Programme im Pflegeheim und beim Kunden angewandt werden. Statistiken ruft man online ab und jeder hat Zugriff auf seine Daten.
Vernetzung der Lieferketten
Der DTV (deutscher Textilservice Verband) hat eine Arbeitsgruppe Digitalisierung gegründet, die den Datenaustausch zwischen Herstellern, Wäschereien und Endkunden standardisieren soll.
Dies wird völlig neue Möglichkeiten im Hinblick auf die Lieferketten bringen. Analog zu den Druckerpatronen die jetzt schon direkt durch den Drucker im Internet bestellt werden, können dann die Textilien bedarfsgerecht und ohne Aufwand nachbeschafft werden.
Mit einem Ergebnis is 2021 zu rechnen.
Künstliche Intelligenz
Es liegt noch in der Zukunft, aber auch im Bereich der textilen Versorgung besteht eine Anwendung für Künstliche Intelligenz.
Welcher Artikel wird wann wieviel benötigt? Wann treten Versorgungsspitzen auf? Wann muss man wieviele Artikel nachbeschaffen? Wo laufen die Kosten aus dem Ruder? Gibt es ein Hygienerisiko?
Bei all diesen Fragen kann künstliche Intelligenz helfen um die Versorgungssicherheit zu erhöhen, die Bestände zu optimieren und gleichzeitig Risiken zu vermeiden.
Erste Umsetzungen werden bis 2023 erfolgen.
Variante 1 "AUSLAUFMODELL":
Die Pflege wäscht die Berufskleidung selbst
Das Pflegeheim kauft die Arbeitsbekleidung für die MitarbeiterInnen oder unterstützt den Ankauf der Bekleidung finanziell. Die MitarbeiterInnen waschen die Bekleidung selbst zuhause.
In der Haushaltswaschmaschine ist kein desinfizierendes Waschen sichergestellt und ein Austausch von Krankheitserregern vom un zum Heim ist möglich.
Pro
Kontra
Fazit
Diese Versorgung ist nicht mehr zeitgemäß und bringt erhebliche Risiken mit sich.
Variante 2 "DO IT YOURSELF":
Das Pflegeheim wäscht die Berufsbekleidung für die Mitarbeiter
Das Heim kauft die Bekleidung, merkt für sie für die Mitarbeiter und in der eigenen Waschküche.
Dies macht nur dann Sinn, wenn zumindest auch die Bewohnerwäsche im Haus gewaschen wird.
In diesem Fall sind zertifizierte und desinifizierende Waschverfahren anzuwenden.
Pro
Kontra
Fazit
Es gibt akutell keinen Trend zum Insourcing (es werden mehr Wäschereien in Pflegeheimen geschlossen als neu errichtet).
Da in manchen Gegenden kein verlässlicher Textilservice angeboten wird, ist dies immer eine Alternative um die Versorgung sicherzustellen.
Für Heime die die Bewohnerwäsche selbst aufbereiten ist dies allerdings eine Überlegung wert - insbesondere in Verbindung mit einem Wäscheautomaten.
Variante 3 "SELBST KAUFEN & WASCHEN LASSEN":
Das Pflegeheim kauft die Berufskleidung und lässt bei einem Lohnwäscher waschen.
Es gibt immer noch einige Heime, die die Textilien aus dem Katalog kaufen und dann bei einem Lohnwäscher waschen lassen.
Pro
Kontra
Fazit
Meist ist dies ein Kompromiss und kein richtiges System. Dies ist auch der Grund, warum auch diese Lösung keine wirkliche Zukunft hat.
Wenn man dies allerdings mit einer guten Software, Auswahl einer guten Kollektion, einer sehr guten Integration des Lieferanten und der Wäscherei, sowie einem Wäscheautomaten umsetzt, kann dies auch eine runde Lösung sein. Da die Projektierung in diesem Fall aufwändig ist, wird sich dies mittelfristig nur für Pflegeheimketten rechnen.
Variante 4 "ETABLIERT":
Ein Mietwäscher liefert personenbezogene Berufskleidung mit oder ohne Schrankservice
Wahrscheinlich über 2/3 der Pflegeheime beziehen personenbezogene Mietberufskleidung.
Dies ist ein etabliertes System seit über 40 Jahren.
Die Wäscherei hält ein Lager an Neu- und Gebrauchtartikel vor, merkt die Bekleidung für jeden Dienstnehmer im Pflegeheim und der Waschzyklus wird mittels Barcode oder HF RFID Transponder kontrolliert.
Die Ausstattung für einen täglichen Tausch beträgt zwischen 8 und 11 Teilen - je nach Logistik der Wäscherei. Wenn der Mitarbeiter ausscheidet, werden die zurückgegebenen Teile auf das Gebrauchtlager gelegt und der Rest für die nicht zurückgegebenen Teile verrechnet.
Die Sortierung in der Wäscherei ist sehr aufwändig, wird aber oft von großen Sortieranlagen unterstützt.
Beim Schrankservice bestückt der Servicefahrer die Fächer der Schränke. Jeder Mitarbeiter hat einen Schlüssel zu seinem Fach.
Pro
Kontra
Fazit
Es ist ein sehr gutes bewährtes System und gerade bei Heimen mit wenigen Mitarbeitern auch aktuell noch eine sehr gute Lösung.
Durch die übliche Abrechnung pro ausgestattetem Teil pro Woche wird allerdings oft am falschen Ort gespart und die Austattung gewährleistet keinen täglichen Tausch.
Insgesamt sind sehr viele Teile im Umlauf bzw. beim Textilservice und Hersteller auf Lager, sodass das System bei dem hohen Personalwechsel durch Praktikanten, Teilzeitkräfte etc. immer aufwändiger wird.
Variante 5 "KEEP IT SIMPLE":
Poolbekleidung mit offenen Regal
Eine sehr einfache Variante der Ausstattung von Berufskleidung:
- Eine 5-7 fache Ausstattung an größenbezogener Bekleidung (keine Merkung mit Namen)
- Lagerhaltung zentral in einem Regal oder Schrank
- Jeder Mitarbeiter entnimmt die Bekleidung die er aktuell benötigt.
Diese Logistik wurde bisher nur vereinzelt umgesetzt.
Pro
Kontra
Daher:
Dies ist sicherlich eine Alternative, die allerdings nur mit RFID UHF Technologie umgesetzt werden sollte. Dies ermöglicht eine schnelle Inventur des Regals und ggf. auch eine Kontrolle der Bestände in den Spind oder Wohnbereichen.
Man muss sich aber bewusst sein, dass dies ein fehleranfälliges System ist, das einen gewissen täglichen Wartungsaufwand durch eine verantwortliche Person bedingt.
Ob sich dieses System in der Breite umsetzen wird ist fraglich.
Variante 6 "NEU":
Poolbekleidung mit Ausgabeautomaten
Die Mitarbeiter melden sich mit ihrer Personalkarte am Automaten an, das richtige Fach öffnet sich automatisch und der Automat registriert, welches Teil entnommen wurde.
Jeder Mitarbeiter hat einen "Kredit", d.h. man kann z.B. nur 4 Teile nehmen. Dann ist das System gesperrt bis man die gebrauchten Teile wieder im Entsorgungsschrank abwirft.
Somit ist dies ein geschlossenes System, das Fehler von Mitarbeitern und auch Fehler durch den Servicefahrer vermeidet.
Spezielle Größen von Bekleidung oder Berufsgruppen mit sehr wenigen Mitarbeitern werden sinnvollerweise trotzdem personenbezogen ausgestattet.
Pro
Kontra
Das System funktioniert grundsätzlich unabhängig wer die Wäsche einkauft bzw. wer die Wäsche wäscht und muss nicht zwingend auch in der Wäscherei umgesetzt werden - wobei dies für die gesamte Transparenz vom Vorteil ist.
Die Kosten für den Automaten werden großteils mit der geringeren Investition in Textilien, deutlich besserer Nutzung der Bekleidung (kein Gebrauchtlager) und Einsparungen in der Wäscherei finanziert.
In Zukunft können Bekleidungshersteller "never-out-of-stock" anbieten, analog wie dies bereits aktuell bei Druckern praktiziert wird.
Der Wäscheautomat wird sich mittelfristig auch im Pflegeheim durchsetzen. Bereits jetzt werden viele Heime mit dieser Technologie ausgestattet.
Was ist der nächste Schritt?
Wir unterstützen Entscheidungsträger im Pflegeheim und im Textilservice bei der Wahl der richtigen Logistik.
Zusammenfassung
Hygienische Anforderungen steigen
Die hygienischen Anforderungen werden in den nächsten Jahren weiterhin steigen bzw. sehr streng bleiben, da sich im Pflegeheim ein großer Teil der vulnerablen Bevölkerung befindet.
Dies bedeutet, dass ein täglicher Tausch, zertifizierte und desinfizierende Waschverfahren und ausreichend Schutzbekleidung notwendig ist.
Individuelle Kollektionen sind im Vormarsch
Die hygienischen Anforderungen werden in den nächsten Jahren weiterhin steigen bzw. sehr streng bleiben, da sich im Pflegeheim ein großer Teil der vulnerablen Bevölkerung befindet.
Dies bedeutet, dass ein täglicher Tausch, zertifizierte und desinfizierende Waschverfahren und ausreichend Schutzbekleidung notwendig ist.
Wäscheautomaten und RFID bieten neue Chancen
Unabhängig von der Frage, wer die Bekleidung einkauft, bieten Wäscheautomaten eine neue Technologie, die sich im Krankenhaus bereits bewährt. Diese Automaten haben viele Vorteile (höhere Verfügbarkeit, geringere Ausstattung, vollständige Transparenz, individualisierte Bekleidungskollektion) und beginnen sich auch im Pfegeheim durchzusetzen.
Personenbezogene Berufskleidung ist weiterhin eine gute Lösung
Die personenbezogene Berufskleidung bleibt auf Sicht ein sehr gutes System - mit all seinen Stärken und Schwächen. Wichtig ist hier, dass nicht am falschen Ort bei der Ausstattung gespart wird und die Wäscherei eine gute Durchlaufzeit und Lagerverfügbarkeit sicherstellt.
Es gibt keinen Trend zu Wäschereien im Pflegeheim
Das Waschen der Bekleidung im Pflegeheim selbst macht nur in Ausnahmefällen Sinn und wird in Zukunft immer mehr die Ausnahme sein.
Daher gibt es keinen Trend in der Errichtung von neuen Inhouse Wäschereien - es werden mehr Wäschereien geschlossen als neue errichtet.
Zuhause waschen ist out!
MitarbeiterInnen die die Bekleidung selbst zuhause waschen (müssen) stellen einen Anachronismus dar. Aufgrund von Risiken bei der Hygiene und der angespannten Arbeitsmarktsituation, wird dies immer weniger vorkommen.